Genusstage im Grimselgebiet
Bereits um 0800 Uhr war Treffpunkt am Bahnhof Turbenthal. Chauffeur Peter Scheiwiller holte dort die letzten zwei Mitreisenden ab, nachdem er vorher die anderen im Dorf eingesammelt hatte. Und dann ging es flott auf der Autobahn via Gubrist und Luzern nach Giswil, wo im Landgasthof Zollhaus die erste Dosis Koffein verabreicht wurde. Gestärkt konnte nun der Brünig in Angriff genommen werden. Auf einer schmalen Strasse ging es dann hoch zur Engstlenalp. Manch einer war froh, dass er nicht am Steuer sass, war doch das Kreuzen jedes Mal ein kleines Abenteuer. Von der Engstlenalp lassen wir sehr schöne Wanderung Richtung Melchsee-Frutt oder Jochpass, Trübsee, Engelberg machen. Der Männerriege stand aber nicht die sportliche Tätigkeit im Vordergrund. Vielmehr liessen wir uns im ehrwürdigen Hotel verwöhnen. Quasi als Dessert stiegen wir zum kleinen Alpsee hoch, wo unerschrockene Touristen sich ins kühle Wasser stürzten. Der Benjamin in der Männerriege hat am Ufer des Seeleins einen Damenturnverein entdeckt. Nur mit Mühe konnte er sich losreissen, damit der Bus pünktlich abfahren konnte.
Ein landschaftliches Highlight ist die Aareschlucht. Gemäss Wikipedia handelt es sich um eine Schlucht bei Meiringen. Durch eine enge Stelle fliesst die Aare von Innertkirchen am Fuss des Grimselgebiets aus zu der Ebene oberhalb des Brienzersees. Der Kalk-Felsriegel zwischen den beiden Gemeinden behinderte den Abfluss der Aare aus dem Grimselgebiet. Das Schmelzwasser unter dem eiszeitlichen Aargletscher kerbte sieben Schluchten in diesen Felsriegel. Die heutige Aareschlucht ist 1'400 Meter lang. Sie ist an ihrer engsten Stelle nur einen Meter breit, die höchste Seitenwand ragt 180 Meter hoch über den Fluss. 1888 wurde die Schlucht für Touristen zugänglich gemacht. Ein Laufsteg führt über der Aare durch die schmale Passage, die seit 1912 mit einer künstlichen Beleuchtung für Nachwanderungen ausgestattet ist. Das Grundstück gehört der 1892 gegründeten Aareschlucht-Aktiengesellschaft. Örtliche Legenden besagten, dass die Schlucht Heimat eines Tatzelwurms sei. Aufgrund angeblicher Sichtungen bis ins 20. Jahrhundert ist das Fabeltier heute das Maskottchen der Tourismuswerbung für die Schluchtwanderung.
Das Ungeheuer begegnete uns nicht während unserer Wanderung. Weil zwei Männerriegler sich nicht sicher waren, begingen sie die Schlucht zwei Mal und marschierten dann gleich weiter nach Innertkirchen. Die restliche Gruppe hatte Pech. Der Steg zur Bahnstation war seit kurzem gesperrt und so mussten sie einen grossen Umweg machen. Trotz dieser Zusatzschlaufe kamen sie rechtzeitig im Hotel Urweider in Innertkirchen. Wie der Ortsname zeigt, teilt der Felsriegel der Aareschlucht das Haslital in ein inneres und ein äusseres Gebiet. Die Hauptstrasse steigt mit drei Haarnadelkurven auf der steileren Südseite rund 80 Höhenmeter zum Lammiboden auf 710 Metern, von wo die Strasse in gleichmässigem Gefälle nach Meiringen auf 602 m absinkt.
Nach Aussagen eines Einheimischen sei das Hotel Urweider vor allem für die Küche und den Weinkeller bekannt. Und so kam es auch. Alle Gerichte waren von sehr hoher Qualität und machten grosse Freude. Ganz speziell ist die Technik von Hotelier Urweider beim Einschenken des Weines. Er erklärte, dass der Wein Luft brauche. Deshalb schenkt er den Wein aus grosser Höhe ein. Auf jeden Fall war es ein Hingucker. Der Abend klang aus mit interessanten Gesprächen und natürlich mit einer Jassrunde. Die Männerriege Turbenthal wird älter und braucht jedes Jahr etwas mehr Schlaf. Die Zeiten, wo erst weit nach Mitternacht am Kissen gehorcht wurde, sind endgültig vorbei.
Der Sonntag brachte zwei Höhepunkte. Zuerst ging es mit dem Bus hoch zum Grimsel Hospiz. Dort erwartete uns Annemarie zur Führung durch die Grimsel-Kraftwerke. Der älteste Reiseteilnehmer zog sich unter dem Gelächter der Kollegen Handschuhe an. Er hätte eine ansteckende Krankheit, meinte er schelmisch. Mit der vollautomatischen Seilbahn ging es hinunter zum Eingang von Grimsel 1. Vor dort führt ein schmaler Stollen einen Kilometer in den Berg hinein, bevor es durch einen viel grösseren Stollen unter dem Grimselsee hindurch zu Grimsel 2 geht. Unsere Führerin zeigte die Anlagen und konnte auch die noch so knifflige Frage fachmännisch beantworten. Bevor es wieder zurück ging zum Ausgang, hiess sie uns aussteigen. Nach wenigen Metern zeigte sie uns hinter dickem Panzerglas eine prächtig glitzernde Kluft. Diese wurde bei den Sprengarbeiten für den Tunnel geöffnet. Heute ist sie noch 14 Meter lang und kann an zwei Stellen bewundert werden. Millionenschätze ruhen da. Ein Blick in die Geschichtsbücher der Kraftwerke Oberhasli AG KWO lohnt sich. Das Unternehmen besteht seit 1925 und versorgt hunderttausende Menschen in der Schweiz und im Ausland mit Strom aus erneuerbaren Quellen. Jährlich produzieren die 13 Wasserkraftwerke und acht Speicherseen zwischen 2'100 und 2'300 Gigawattstunden. Nach eigenen Angaben ist dies CO2-freier Band- und Spitzenstrom.
Die KWO besitzt acht Staumauern, welche wichtig sind für die Stromproduktion. Alle Bauwerke wurden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erstellt. Aktuell wird die Ersatzmauer Spitallamm gebaut. Das Wassereinzugsgebiet innert dem Kirchet umfasst 450 Quadratkilometer. Jährlich fallen 980 Millionen Kubikmeter Wasser an. Davon nutzt die KWO rund 700 Millionen m3 für die Stromproduktion. Im Moment kann sie aber nur rund einen Viertel des anfallenden Wassers in ihren Seen speichern. Der Rest ist sog. Laufwasser. Mit dem Ersatz der Staumauer Spitallamm, einem neuen Speicher Trift und einer Vergrösserung des Grimselsees will die KWO das Speicherpotenzial erhöhen. Allerdings sind die Bauvorhaben teilweise wegen Rekursen blockiert.
Gefüllt wie die Grimsel-Stauseen, aber mit Eindrücken und nicht mit Wasser, gings hinunter nach Guttannen. Die Stimmbürger dieser Gemeinde lehnten übrigens eine Fusion mit Innertkirchen und Gadmen ab. Innertkirchen und Gadmen gingen dann alleine zum Traualtar und die neu geformte Gemeinde Innertkirchen ist nun mit 237 km3 die grösste Gemeinde des Kantons Bern. Gross war auch das Steak im Hotel Bären. Jenes bildete nämlich den letzten kulinarischen Höhepunkt der Reise. Reiseleiter Melchior Zenger schwärmte dann von den besten Meringues, welche in Meiringen zu kaufen seien. Wem dies zu süss sei, der könnte auch den vorzüglichen Haslikuchen kaufen. So kam es, dass wir in Meiringen einen Shopping-Stopp einlegen mussten. Nochmals sorgte der älteste Teilnehmer für grosses Gelächter. Weil unser «Frauenheld» einfach nicht aus dem Laden zurückkam, wollte der ältere ihn holen. Während nun der eine in den Laden stürmte, kam der andere durch einen anderen Ausgang heraus. Und die anderen Männerriegler beobachteten das Schauspiel von der anderen Strassenseite und hielten sich die Bäuche vor Lachen.
Chauffeur Peter Scheiwiller brachte die Schar sicher auf dem gleichen Weg zurück nach Turbenthal. Er und Reiseleiter Melchior Zenger erhielten grossen Applaus für das tolle Erlebnis im Haslital.